Es
war ein Tag ohne Sicherheitsleinen und ohne Ablenkung. Ein Tag, an dem die
Gedanken sich dachten, wie sie es eben so tun, wenn sie nichts Besseres
vorhaben.
Sie
halten fest. Sie wiederholen. Sie drücken aus. Sie entspinnen sich und spinnen
ihre Fäden gleichsam aus dem Nichts, aus dem, was ist oder was eben nicht ist.
Sie schaffen Verbindungen zwischen den Zeiten. Sie schaffen Inhalte, fein
gewebt wie Spinnennetze. Wahrheiten, wo zuvor keine waren. Sie halten sich auf
in Vermutungen, schwingen Reden und Gegenrede.
Sie finden statt auf mehreren
Tonspuren. Kommentieren, bewerten, diskutieren, stellen fest. Richten auf und
drücken nieder. Sie behaupten sich und lassen sich kaum übertönen.
Ausser
ihnen ist ja niemand da und sie sind ausser Frage wichtig. Sie sind wie Kinder,
die allein zuhause sind. Sie steigen erst auf die Stühle, dann auf die
Schränke, leeren die Einmachgläser und backen Kuchen ohne Rezept. Sie übernehmen
die Führung und üben Einfluss aus. Von früh bis spät. Fragt man sie, was sie
nun eigentlich zu sagen haben, dann verstummen sie oder haben Dramen anzubieten,
Gespinnste, die nur zerreissen, um sich von neuem entspinnen.
Hier
geht es um Macht und Ohnmacht, um Hunger und Bedürftigkeit, um Sehnsucht und
Verlangen, um Mangel und Abwesenheit. Hier geht es um nicht verfügbaren
Reichtum. Hier zieht und zerrt es in den Eingeweiden, besingt und beschwört den
immer gleichen Zustand.
Es
wird nicht produktiv, sondern es wird immer hungriger, immer bedürftiger, immer
sehnsüchtiger und dabei immer verlorener, immer hilfloser und immer
ohnmächtiger. Als ginge es darum, einen Zustand zu vertiefen.
Hier
wird nicht genascht. Hier wird nichts genommen. Hier wird nichts durchbrochen.
Hier wird nichts überwunden. Hier wird nicht nach links oder rechts gesehen.
Hier ist nichts zu retten, nichts zu holen und nichts zu machen. Ausbruchsversuche
sind treue Diener.
Gedanken
sind hungrige, parasitäre Gesellen: Sie nähren sich aus allem, was der Wirt zu
bieten hat. Ob es der Tropfen ist, der vom Baum fällt oder die Zeit, die einfach
da ist.
Ob
es das regennasse Blatt am Apfelbaum ist, das sich im Wind bewegt. „Wie ist das
schön!“, jubiliert es und währt nicht lange, dann ist dieser Moment vergessen,
wie weggeblasen, geht unter oder wird übertönt, als wäre es nie gewesen.
Es
gibt Wichtigeres zu denken. Das Wichtigere denkt sich und nimmt größtmöglichen
Raum ein.
Gedanken
treten in Hierarchien auf, in Haupt- und Nebengedanken, geben sich mal
existenziell und mal banal, behaupten sich mit Fanfaren- und Trompetenstössen,
zirpen leise und beständig wie Zikanden, erschlagen mit
Haut-den-Lukas-Hammerhieben und wenn es leise wird, dann werden sie laut.
Ein
Gedanke ist niemals alleine. Er tritt zu Unzähligen auf. Vermehrt sich wie ein
Zellhaufen. Formiert sich in Kompanien, die endlos vorübermarschieren.
Unübersichtlich wird es da. Jede Sekunde und jeder Zwischenraum ist mit ihnen
gefüllt.
Es
war mir, als würden sie immerzu das gleiche denken, immerzu das gleiche
ausdrücken. Immerzu auf das gleiche stossen. Sich immerzu den gleichen Anfang
und das gleiche Ende suchen. Es war, als hätten sie zwei Pole und dazwischen
wären sie hin- und hergelaufen und hätten sich mit vollen Eimern beladen. Zwickmühlen.
Wie
sie sich festhielten, an was sie sich eben festhalten. Wie sie sich entspinnen,
wie sie es eben jetzt so tun. So als würden sie meine Gestalt in Worten
abbilden, jene Gestalt, die mich unsichtbar umgibt und durchsetzt. Jene
Gestalt, die meinen Zügen einen Ausdruck verleiht. Meinem Körper jene Ausstrahlung
und jenes unsichtbare Profil gibt, auf das alles reagiert. Gedanken, die mich
meisseln, als wäre ich ein täglich neu zu bearbeitender Rohling.
Dem
bin ich nicht entkommen und habe die Wolken mit in die Nacht genommen.
Nachtgedanken
wurden zu einem dunklen See, in dem ich schwamm. Bodenlos trieb ich dahin. Uferlosigkeit
packte mich unter den Armen wie zwei Krankenschwestern, die sich einig waren,
dass ich nun noch ein paar Schritte gehen müsse.