Bunte,
fantasievolle und vor allen Dingen inspirierte Schmuckstücke lagen in den
Vitrinen und zeigten „Das Leben ist schön. Es gibt so viele Möglichkeiten.“
Dinge lagen da, der Schönheit verpflichtet und eben der Inspiration.
Sie
lagen in Vitrinen, im Halbdunkel des Raumes mit dunklen Wänden und dunklen
Fußböden und wurden durch besondere Spotlichter ganz besonders in Szene gesetzt
und „aktiviert“. Gold glänzte, Farben waren nahezu überstrahlt und ganz schnell
war vergessen, wie klein diese Objekte sind und wie sehr man sich ihnen
zuwenden, sich zu ihnen hinbeugen muss, um sie überhaupt richtig sehen zu
können.
Ganz
schnell waren auch die vielen Menschen vergessen, die, wie wir das Gleiche
taten und sich an Schaufenster und Vitrinen herandrängelten. Im Pulk
vorangeschoben, sich dem Vordermann hinterherschiebend, zwei Sekunden Sichtzeit
und dann das nächste Fenster.
All
das war aber nicht so wichtig, wie diese kleinen, bunten, feinen, bisweilen
ausgeflippten und hübschen Dinge, die es zu sehen gab. Man wusste nie, was da
jetzt als Nächstes kommt. Und es hingen Ahs und Ohs und Staunen in der Luft.
Ich
selber war in der an sich gedämpften, kulturbeflissenen Atmosphäre unter lauter
Kultur-, Oper-, Mode-, Design-, Künstler- und Entwerferpublikum, unter
Fachleuten, Spezialisten, Conaisseuren, Sammlern, professionellen
Sichselbstinszenierern, potentiellen Käufern und Produzenten, die mit auffälligen
„avantguardistischen“ Schnitten antraten, wie z.B. einer quasiarabischen
Beutelhose in rosa-braun-dunkelrotem Golfhosenkaro mit seitlicher verlaufender
Raffung des Hosenbeins von oben nach unten, die an ein Wohnzimmerwolkenstore
erinnert oder gespickt mit raffinierten Details, wie z.B. eine echte Pfeife als
Brosche als Anspielung auf René Magrittes Ceci n’est pas une pipe, mit Handtaschen
mit selbstleuchtendem Trageriff oder einem goldenen, gelochten Halsreifen, der
im Zusammenspiel mit dem Gewand, die Trägerin selbst in ein Schmuckstück oder
aber in den mittelalterlichen Gemäldetypus einer Heiligen mit Heiligenschein
auf Goldgrund verwandelte, besonders laut.
Ohhhh,
guck mal hier D., sieh Dir das mal an, wie schön das ist, schau mal, wie das
funkelt und ach, wie süß ist das, nein, dass man überhaupt auf so eine Idee
kommen kann, boahhh, ey, guck Dir das an, das ist ja hammermäßig, so etwas habe
ich ja noch nie gesehen und ach, dahinten, wahnsinn, das leuchtet ja bis
hierher und das ist durch das Licht total ins Strahlen geraten, grün, orange,
golden und gelb, und guck mal da, die unterste Schicht ist noch feiner
ziseliert, ornamentiert, als die ohnehin schon feinen Stücke darüber. Ich glaub
es ja nicht. Ist das toll. Nein, so etwas Schönes. Ich bin hingerissen. Und so
ging es weiter.
D.
hat natürlich selber Augen im Kopf und die anderen auch. Aber sie hat auch
kapiert, dass ich meine Kinder-Ahhhhs und Ohhhs, so hemmungslos rausgelassen
habe, wie vielleicht früher Mal im Kasperletheater.
Und
unter all den ernsthaften Leuten haben wir natürlich die Clowns gemacht und uns
ein bisschen daneben benommen, es raushängen lassen – zumal wir uns über diese
gierigen Fotografierer geärgert haben, die die Objekte schier aus den Vitrinen
rausgeknipst haben – noch bevor sie sich das wirklich angesehen haben – dieses
Fotoapparat hinhalten – zoomen brrrrr – das verlängerte Raubauge machen und
dann abdrücken. Wusch und weg. Whats next? Weiter gieren. Konsequenterweise
hätten die Objekte danach wegsein müssen oder zumindest ein bisschen weniger.
Es
wurde gezoomt und fotografiert, was das Zeug hält. D. und ich hatten unabhängig
voneinander das Gefühl, dass diese Leute zum „Klauen“ und Kopieren gekommen
sind. Apfel copy, Apfel x und Apfel v. Last not least.
Wir
fanden das ekelhaft. Respektlos, gierig und räuberisch. Widerlicher
Schlabberkram. Saugen, was das Zeug hält. Noch nicht einmal mit dem Vertrauen
ins eigene Auge, die Aufnahme- und Speicherfähigkeit des eigenen Gehirns,
sondern an der eigentlichen Sache vorbei lassen sie die SuperDigis mit den
unzählig vielen Pixeln den Job machen und versprechen sich „mehr“ davon.
Sie
haben es ganz schlau angestellt. Den Schmuck gucken wir uns dann zuhause in
Ruhe am Rechner an. Der Gedanke, dass man den Geist einer Sache nicht kopieren
kann, der tröstete nicht wirklich über den Anblick der saugenden Kameras und
ihrer gierigen Halter hinweg.
Ich
habe dieses Wort „inspiriert“ bislang selten für Kunstwerke verwendet. Klingt
es doch so geschwollen, urteilend, vom Ross herunter oder intellektuell. Was
schließlich soll „inspiriert“ sein oder heißen?
Ahnung
von Schmuck im Speziellen habe ich nicht. War bei der Ausstellung auch gar
nicht nötig. Es war noch nicht mal so, dass die Sachen das
„Habenwollen“-ausgelöst haben. Es hat eigentlich vollkommen gereicht, sie zu
sehen.
Inspiriert,
begeistert: Es war das Ansteckende, das von ihnen ausging – die Ideen,
Assoziationen und Erinnerungen, die sie anzettelten. Die Dinger waren eben
nicht passiv, Aufmerksamkeit verschlingend und dann tumb machend und der
Betrachter ein bisschen ärmer und ausgeraubt zurücklassend, sondern ganz im
Gegenteil.
Die
Dinger wirkten hochaktiv, nahmen die Aufmerksamkeit an, schickten sie einmal
durch sich durch und drumherum und schwurbelten sie durch ihre mannigfaltigen
(Schmuck-)Eigenschaften hindurch und schickten sie eben so aufgeladen durchs
Auge des Betrachters wieder zurück.
Deswegen
inspiriert und inspirierend. Via der Schmuckstücke wurde etwas initiiert und
weitergereicht, das man gar nicht besitzen kann. Es ist dieser unsichtbare
Stoff, der uns alle verbindet, der plötzlich spürbar wurde.
Die
Freude an was auch immer: An bunten Lichtern auf dem Jahrmarkt zum Beispiel, am
Blick von Tieren, die Steigerung der Gegenwärtigkeit durch Glanz, Glitzern und
Farben. Die Begeisterung, wenn ein Ästchen oder Blätter, Naturformen wie
Schmuck ins Zentrum der Aufmerksamkeit hereingeholt werden.
Das
Spiel mit den Dimensionen: zwergenhaft klein und zugleich riesengroß. Der
zauberhafte Lärm und das Geschepper, das von Jahrmarksorgeln, Ausrufern und
echten, quietschenden Jahrmarktsattraktionen ausgeht – von Schmetterlingstanz
bis Flohzirkus.
Eine
schrill-bunte Wunderwelt, die keine Grenzen kennt und zugleich so ganz ruhige
Nischen in denen ein Zweiglein mit knospenden Blättern vergoldet dann doch das
edelste aller Stücke sein können – für einen Augenblick – bis hin zur nächsten
Attraktion:
Fluoreszierenden
Lockenwicklergeweben, die zum edelsten aller Colliers zusammengelötet sind. Und
dann überdimensionierte Reifen und Ringe, farbigste Glasarbeiten, die an
prächtige Schnecken erinnern und die sechsfache Welt hinterleuchteter
Kaleidoskopbilder in Schmuck übersetzen.
Die
gezeigten Schmuckobjekte wirkten total ansteckend. Als ich die mannigfaltigen
Formen, Farben und Materialien sah, hatte ich auf der Stelle Lust, Papier zu
nehmen, Formen darauf zu malen, sie zu kolorieren, auszuschneiden und bunte Blumenketten
oder Fantasieobjekte daraus zu machen.