Mittwoch, 6. April 2011

Geschichten aus meinem Clavichord - Der findige Prinz

Zwei Prinzen kamen des Nachts, unterwegs mit unbekanntem Ziel, auf einem mondbeschienenen Schlosshof an.

Das Schloss schien alt und verwunschen, mit vielen Schnörkeln und Zinnen. Efeu rankte sich an den Wänden hoch und um die zahlreichen Türmchen flogen kleine Turmfalken, die einfach keine Ruhe fanden. 

Die beiden Prinzen stiegen von ihren Pferden ab und waren glücklich nach dem langen Ritt dieses Schloss gefunden zu haben. 

Inmitten des Schlosshofs befand sich ein tiefer Brunnen und der ältere der beiden Prinzen ließ den Eimer hinab und holte frisches Wasser aus dem Brunnen und gab seinem Pferd davon zu trinken. Dann nahm er auch sich selbst, wusch sich das Gesicht und den Staub von den Händen.  Auch der jüngere Prinz freute sich über das frische, klare Wasser und rieb auch sein Pferd damit ab. 

Der ältere Prinz und die beiden Pferde legten sich gleich bei dem Brunnen zum Schlafen. Das Schloss wirkte so verlassen und er wollte die Ruhe, in dem es dunkel vor ihm stand, nicht stören. Er wickelte sich in seine Satteldecke, legte sich zwischen die beiden Pferde, die ihn wärmten und schützten, und fiel alsbald in einen tiefen Schlaf. 

Der jüngere Prinz jedoch machte sich auf den Weg. Von weitem hörte man die heimatlosen Käuzchen rufen. Ansonsten war die Nacht sternenbeschienen, ruhig und klar. Nichts bewegte sich mehr, da auch die Turmfalken sich beruhigt hatten. Kein Windhauch brachte das Efeu zum rascheln und auch alle anderen Tiere im umgebenden Wald schienen zur Ruhe gekommen zu sein. 

Weit und breit war es nur der kleine Prinz, der noch unruhig war und sich nicht zu seinem Bruder schlafen legen konnte. Er ging im Schlosshof umher, probierte die Türen und suchte nach einer Tür, mit der er das Schloss betreten konnte. 

Es dauerte eine Weile und kurz bevor er aufgeben wollte, fand er eine winzige Türe, die offen war. Tief musste er sich ducken, um hier hinein zu kommen. Doch hinter der Türe befand sich ein hoher, gewölbter Gang und er konnte sich auf der Stelle wieder aufrichten. 

Neben der Tür befanden sich in einer Mauernische auch eine Kerze und Zündzeug, so als hätten sie auf  den jungen Prinzen gewartet. Ein freundliches Schloss. Er fühlte sich willkommen, nicht wie ein Eindringling. 

Er zündete ganz selbstverständlich die Kerze an und ging ebenso selbstverständlich den hohen Gang entlang, besah sich die Bilder der Könige und Königinnen an den Wänden, bis er plötzlich und von ferne, ganz leise Töne hörte: Ein Lied, behutsam und vorsichtig, wie zur Übung und versonnen auf der Laute gezupft. 

Natürlich wurde er auf der Stelle sehr neugierig und ging den Klängen nach, die ihn so wundersam anlockten und bezauberten. Er musste viele Treppen steigen, sehr oft um die Ecke gehen und der Klang blieb leise, setzte sich aber beharrlich immer wieder bis zu seinem Ohr durch. 

Er folgte ihm immer weiter und weiter. Schon längst hatte er die Orientierung im Schloss verloren. Bis er schließlich vor einer Türe stand, wo die Laute deutlich zu hören war. 

Vorsichtig klopfte er an die Türe und diese öffnete sich wie von selbst. Er blickte in ein kerzenerleuchtetes Zimmer hinein und sah ein kleines Mächen in einem rosa Kleid, das auf einem Stuhl saß und seine Laute zupfte. 

Es sah auf, sah ihn an, als hätte es ihn schon lange erwartet. Es war wie in einem Traum, in dem zwei Kinder gemeinsam erwachten. Ein Prinz hatte seine lange gesuchte Schwester wiedergefunden, die kleine Schwester ihren Bruder. Schon lange hatte sie ihr Lied gespielt, damit der Bruder sie endlich wiederfindet.