Freitag, 2. März 2012

Meine Wahrheit

Heute Nacht hatte ich einen Traum. Es ging um Liebe und um Gedanken über die Liebe und um berühmte Liebesgeschichten. Es ging um Geschichten irgendwo zwischen Don Juan und Don Quichotte. 

Ein Freund fiel mir ein, der Liebeskummer erfahren hat. So sehr, dass ich mich fürchte. Totalen Schiffsbruch. Vom Meer ausgespien, sehe ich ihn, am Ufer liegend, mit den Füßen in jenem Wasser steckend, aus dem er sich aufrichten wird. 

Früher oder später und dann weitergehen im Sand und dann auf der Wiese und dann durch den Wald. Immer weiter. 

Und er wird gehen. Aber er wird gehen. Noch liegt er da. 

Aber im Traum hat er sich bereits gerührt und eine Rezension zu einer Erklärung über die Liebe geschrieben. Großartig fand er die Texte die er fand. Einfach großartig.

Ich las seine Reflexionen über die Reflexionen der anderen, las deren Namen, die er an- und aussprach. Las in schwarzen Lettern über einem Landschaftshintergrund. Las schwarze Lettern auf einem roten Plakathintergrund. 

Siehst Du. Siehst Du, habe ich mir gedacht. Es geht also doch. Sie haben über die Liebe geschrieben. Wissend. Sachlich. Gerecht. Und er fand es großartig, dieses Schreiben über die Liebesbeziehungen anderer. Diese Analyse. Dieser Scharfsinn und das kam von ganz jungen Leuten, die das messerscharf verstanden und in ihren Texten abgebildet hatten. 

Und ich war ganz stolz, den Schiffbrüchigen und diese Texte zusammengebracht zu haben und ihn damit zum Schreiben bewegt zu haben. Er fand Hoffnung in diesen Texten. Er fand seine Sprache wieder, seine Stimme. Ganz der Alte, so bewertete er diese Texte und fand sie großartig. 

Und während all das stattfand und gleichzeitig und plötzlich erstand in mir plötzlich ein Bild. Ich sah eine blaugraue verschlossene Holzhütte. Sie stand auf einer Wiese. Sie stand da, wie in einem Heimatfilm, nur sehr viel sauberer und exakter zugeschnitten.

Kein Brett stand über. Ein blaugraues Häuschen auf einer Wiese, vor einem von Tannenwipfeln gezackten Abendhimmel, im Zwielicht des Abends, des vergehenden Tages.

Es stand in der Mitte eines vollkommen unbewegten Bildes. Das Häuschen hatte keine Fenster und keine Balkone, keine Türen, keinen Schornstein. Dennoch hatte dieses Häuschen den Charme von Heimat.

Hermetische Heimat: Auf Augenhöhe, dort wo ein Eingang hätte sein können, eine Öffnung, ein Ausgang, ein Fenster, war ein blaugrau gefärbtes Brett an der Außenwand befestigt. Auf diesem Brett stand mit schwarzer Schrift 

L I E B E 

geschrieben.

Mittwoch, 1. Februar 2012

Daumen hoch!

Gestern abend, wieder mal auf dem Fahrrad, kam mir der Satz: 

„Er ernährt sich von jenen Gefühlen, die man ihm entgegenbringt.“ 

Aha, dachte ich mir, deswegen dieser ganze Kram mit Fazzebuk und so weiter. Deswegen, die Sammlung hübscher Mädchen und Fotos und deswegen der Stolz auf all die Interessenbekundungen an jedem Keks, den er gebacken hat, an jeder Bewegung, die er gemacht hat und auf die er im Web2.0 eine Resonanz haben möchte. 

Das finden wir aber toll und das finden wir aber toll und das finden wir aber total toll. Daumen hoch. Und guck mal, da ist auch noch ein Daumen hoch gegangen!

Lebe ich dafür, dass der Daumen hoch geht? 

Türkis im Schnee - Momentaufnahme

Im Park liegt Schnee. Kleinere und größere Schneemänner stehen da.

Der Himmel ist grau und regungslos, steht darüber, über endlos weiten, weißen Wiesenflächen gespickt mit Maulwurfshügeln.

Viele Menschen sind unterwegs. Manche wie bunte Punkte vor dem weißen Hintergrund. Viele einfach nur schwarz.

Eine Dame kommt uns in einem weißen Kurzmantel entgegen. 
Sie trägt eine Mütze aus türkisem Hasenfell, schwingt dazu im Überschwang ihrer langen Arme ein türkises Handtäschchen zu dem sie türkise Stiefel trägt 
und führt ein winziges Hündchen an der Leine, 
das ein türkises Cape mit goldenen Sternen trägt....

Da denke ich mir doch glatt: Türkise Farbe wirkt im Schnee besonders intensiv...

Nusschale

Da sitze ich in meiner Nussschale, winzig in einem winzigen Boot im Schilf. Schlingere in der Nähe des Ufers auf unruhigem Gewässer und im Versteck. 

Es wackelt in meinem Boot und auf den Wellen. Hin und her. Niemand sieht mich. Und ich hoffe immernoch auf eine Zukunft, die nun schon fast vorbei ist. 

Und ich fühle so wie Rilke im Herbst seines Gedichtes: Wer jetzt noch nicht sein Haus gebaut hat, der baut sich keines mehr... 

Berührung

Auf dem Fahrrad durch die Kälte und durch die Nacht zu fahren, Kälte zu spüren, das Glitzern von Eis und Schnee auf Asphalt in der Straßenbeleuchtung aufblitzen zu sehen, das hat gut getan. 

Die Kälte war real, der dunkle Himmel war real, Eis und Schnee waren real, der Weg und die gefährlichen Spurrillen unter meinen Fahrradreifen, der Schein von Vorder- und Rücklicht waren real. 

Der Fahrtwind, der mir das Gesicht vereiste, die Kraft, die ich einsetzte, um Heimzukommen und dieses wunderbare Gefühl, es aus eigener Kraft nach hause zu schaffen – auch das war wirklich. Berührung.

Die besondere Aufmerksamkeit, die es braucht, um sicher nach Hause zu kommen. Vorsichtig zu fahren, damit ich nicht ausrutsche, weiter zu fahren und all meine Gedanken mit mir heimzuführen und mein Gefühl: Geprägt von einer tief empfundenen Einsamkeit, das hat mich berührt. 

Der Gutmeiner

Es ist ganz schön heftig, wenn einem plötzlich auffällt, dass das eigene Verhalten nur selten mit dem zu tun hat, was man selber zu tun glaubt. 

Ein gutes Beispiel ist hier das so genannte und vor allem unaufgeforderte „es gut meinen“: 

Ohne Auftrag "Gutmeinen" ist oft ein Machtspiel, bei dem der Gutmeiner versucht, seinem Gegenüber etwas reinzudrücken und sich selber im Anschluss daran etwas besser zu fühlen, weil er den anderen die Unterlegenheit hat fühlen lassen. 

Der Gutmeiner weiss es eben, und er weiss es vor allem besser. 

Aus dem unaufgeforderten Gutmeinen zu erwachen, heißt, sich auf der Stelle zu entschuldigen und es nicht wieder zu tun. 

Das Gutmeinen ist eine Situation, wo sich der eine nach eigenem Gutdünken am anderen bereichtert.

Beschlagene Fenster im Bus

Und das war mir gestern aufgefallen, als ich die beschlagenen Fenster des Busses ansah, diese ganzen Spuren, die sich im Beschlag abzeichnen, diese Vergangenheiten, die sich als Spur in der Gegenwart abzeichnen. 

Der Abdruck von Haaren eines Kopfes, der sich während der Fahrt müde oder bequem an das Fenster angelehnt hat, der Abdruck von Kindergesichtern, die mit dem Nebel auf dem Fenster ihre Spiele gespielt haben, Nase reindrücken, Stirn abdrücken, mit der Zunge ablecken, die Lippen auf die Scheibe pressen, all das hinterlässt Spuren. 

Mit der Vergangenheit in meinem Hirn werde ich niemals fertig werden. Die ist mittlerweile ein prallgefüllter Sack. An den traurigen Geschichten hänge ich besonders fest. Untrennbar hänge ich an denen dran und kann immer noch darüber heulen. Jeden Tag neu. 

Es ist nicht so leicht, immer wieder zu vergegenwärtigen, das nur man selbst für sein Erleben zuständig ist und niemand anderes. Der kurze Weg wird immer wieder erhofft: 

Andere sollen für Erlösung sorgen.

Wunderland II

Während wir so daher reden, macht sich ihr 10 jähriger Sohn, über die Elektrik her, optimiert die Schichtung des Kaminholzes und studiert die Gebrauchsanweisung für den Spielecomputer seiner kleinen Schwester und will anderen die Welt erklären, so wie er sie begriffen hat. 

"Mama, jetzt hör doch mal zu..." und er befasst sich mit ihrem neuen Handy, will ihr all die Features nahelegen und die Handhabung dieses Gerätes. 

Analytisch. Logisch. Im Ernst und ohne Spiel. Er hat überhaupt nicht diese Schutzschicht wie unsereins, die es ermöglicht in irgendwelchen Träumen und Phantasien seine Zeit zu vergeuden, anstatt einen tatsächlichen und bewussten Einfluss auf jene Welt zu haben, in der wir tatsächlich leben.

Der hat das gemacht und der hat das gemacht und das war so und so oder eher doch so und aus der jetzigen Perspektive sieht es so und so aus. 

Wie zwei Alträucher, sitzen wir da, reden ohne Punkt und Komma, während der Junge die Waschmaschine repariert, die Steckdose versetzt und dies demonstrativ auf dem Wohnzimmerteppich und genau in seiner Mitte vollführt, während wir nichts anderes im Sinn haben, als in irgendwelchen alten Geschichten zu schwelgen, zu fachsimpeln, zu mutmaßen, lauter sinnloses Zeug, so lange wir nur nicht gegenwärtig werden müssen, aufräumen, einen Blick auf die Bedürfnisse der Kinder, des Hauses, des Hundes, des Gartens oder der Gegenwart zu richten. 

Was können wir tun, um unsere Welt zu verbessern? 
Was können wir tun, um die Funktionen unserer Welt zu verstehen? 

Nein, ich glaube, wir leben in weitgehend in unseren Träumen und Geschichten, in unseren Leidensgeschichten und in unseren Erinnerungen, wir hängen irgendwo in einem längst luftleer gewordenen Raum herum und wollen dabei absolut nicht gestört werden. 

Der Raum, in dem wir uns bewegen, der bietet jene Sicherheit, das er schon vorbei und längst erkaltet ist. Das ist unsere Sicherheit. Das ist die Sphäre in der wir uns gefahrlos bewegen können. 

Wir, meine Freundin und ich, sind in solchen Momenten nicht gegenwärtig. Wir sind nicht präsent. Wir hängen in unseren Geschichten. In unseren Weltkonstruktionen, die unsere Prägung wiederkäuen. Wieder und wieder. 

Wir schaffen es gar nicht, uns mit Gegenwart zu beschäftigen, geschweige denn, so etwas wie eine Zukunft zu erschaffen. Wir leben nicht im Augenblick. Nicht in der Gegenwart. Wir brauchen immer eine Menge Fluchttüren in die Erinnerung und auch in die Mutmaßung darüber, wie es denn gehen könnte oder besser sein könnte oder wie es denn vielleicht richtig ist. 

Wir reden auch gerne über andere oder über das, was wir von uns selber denken oder zu wissen glauben – aber auch das findet im Traum statt. 

Der Junge versetzt in der Zeit die Steckdose, damit man sich nicht so weit rüberbeugen muss, wenn man sie benutzt. Der Junge hat den Stecker aufgeschraubt, holt einzelne, bunte Kabel aus den inneren Plastikrinnen des Steckers, sieht sie sich an, biegt sie raus und wieder zurück, verlängert das Kabel oder verkürzt es, der Hund will pinkeln und die Tochter nicht mit ihm raus, alle wollen uns und wir wollen nicht raus aus unserer Gespensterwelt, einer Welt aus längst vorbei, irrelevant, nicht gegenwärtig, einer Welt aus Träumen und Erinnerungen an vergangene Liebschaften. 

Es hätte so sein können oder doch auch so und hätte er es so verstanden, dann wäre es mir so gegangen, und damals habe ich dieses oder jenes nicht so oder doch so verstanden. Alles so irrelevant. 

Wir rauchen, wir trinken Tee, wir sinnieren, tauchen ab, vergessen die Welt. Wir wissen nicht, was wir da tun, in dem wir glauben, wir wüssten, was wir da tun und in dem wir glauben, wir hätten alles im Griff. 

Wir leben immer wieder neu in der Vergangenheit, in der Erinnerung, wir driften ab und weg und merken es nicht und der Junge stört. 

Für ihn gibt es nur den Ernst der Gegenwart und ihrer Funktionen. Von Funktionen haben wir keine Ahnung. Das war in der Schule. 

Wir haben es nicht gelernt, uns für jene Welt zu interessieren, in der wir tatsächlich leben. Wir reden und pflegen den Nachhang, die Nachwirkungen einer Welt, die wir auch damals schon nicht verstanden haben. Weil wir damals schon genauso wenig gegenwärtig waren wie jetzt. 

Für Kinder gibt es erst mal nur die Gegenwart, bis auch sie dann anfangen, Vergangenheit anzuhäufen. 

Wunderland-Schallplatte

Mit seiner Mutter rede ich immer über irgendwelche Leute, die wir gemeinsam gekannt haben. Wir lieben es, über deren Eigenschaften zu sprechen.

Wir tauschen Erinnerungen aus. Erinnerungen über Lebensabschnitte, die wir gemeinsam erlebt haben. Wir kauen zum 1000sten oder 100000mal durch, was der eine oder andere gemacht hat, wie wir das erlebt haben und so weiter. 

Das ist, als würden wir es immer noch genau so lieben, eine Wunderland-Schallplatte immer wieder neu erzählt zu bekommen, den gleichen Film aus verschiedenen Lebensaltern heraus immer wieder neu zu sehen und davon zu erzählen. 

Weißt du, sage ich zu ihr, Winnetou war schon immer mein Held und der ist mit mir mitgewachsen und ich liebe es heute, so wie früher, über das zu sprechen, was mir an Winnetou so gut gefällt:

Seine Erhabenheit, Bescheidenheit, seine edle Größe und das man ihm zutraut, wahrhaftig zu lieben und sich für eine Liebe zu entscheiden. Die Liebe zur Wahrheit und der Umgang mit Natur und natürlich der Umgang mit Frauen....

Ja, und Winnetou konnte reiten, so wie ein Rockstar singen kann und wie in der dazugehörigen Musik, ging für mich die Sonne auf, wenn Winnetou auf seinem weißen Pferd auf dem Gipfel gen Himmel erschien, um seinen Freund zu treffen.

Dienstag, 24. Januar 2012

Rückwärts schlafen


Gestern abend konnte ich lange nicht richtig einschlafen. Einmal bin ich hochgefahren, weil ich mitten im „Schlaf“ meine Augen aufgerissen und dann in mein Zimmer gestarrt habe. 

Das, was ich in dem Augenblick gesehen habe, Schreibtisch, Regal und einen Stuhl, hatte breite schwarze Umrandungen.  Ich konnte es nicht zuordnen und bildete mir ein, dass der Raum vor meinem Bett von eckigen Geistern bevölkert sei.

Die Formen erinnerten mich an nichts. Ich schaltete das Licht ein. Die Situation war sofort entschärft und das vermeintliche Geistermobiliar wieder der vertrauten Umgebung zuzuordnen.

Eingeschlafen bin ich dann so gegen halb drei, als ich mich andersherum ins Bett gelegt habe, den Kopf ans Fußende. Das hat funktioniert.

Alter Matrosentrick. Wenn Du nicht vorwärts schlafen kannst, dann schlaf doch rückwärts!

Sonntag, 22. Januar 2012

Kind - kommt gleich nach Wind

Windkind, Heulkind,
Sprühkind, Spürkind.

Wunschkind, Wundkind,
Hilfkind, Gottlieb,
Marschkind, Weggefährte,
Hilfkind, Blütenkind,
Lebenskind, Kind.

Du Kind, Oh Du Kind,
Traukind, Heulkind,
Windkind. Kind. Weltkind.
Nicht allein, sondern Kind.

Kindkind. Lebenskind.
Liebeskind. Liedkind.
Spürkind. Spülkind. Lebenskind.

Lebenskind. Kind lebe, wühle,
wage, laufe, sprühe, lebe, hebe,
trau Dich, wage, trage, trete, laufe,
raufe, klaue, lüge, beisse, weine,
schreie, blühe, liebe, unvermittelt
und heftig, öffne Dein Herz.

Verschwende, entgrenze,
lasslocker und nimms hin.

Das Kind. Das brüllende Kind.
Es kann nicht anders. So ist es.
Bedürftig. Allein. Kommt und
geht ganz allein. 

Da ist nichts zu wollen
und nichts ist zu machen.

Allein das Kind in der Dunkelheit
und in der Stadt, im Wind und
im Regen, im Winter, bei Kälte
und Unwirtlichkeit.

Autos sausen an ihm vorbei,
Menschen gehen an ihm vorbei,
achtlos, unbestimmt, eine Mission
im Kopf.

Das homeless child,
das gehört niemandem, das hält
sich im Dunkeln, in den Kellern,
in den Ecken, unter der Treppe,
in den Winkeln, wo nie hingesehen wird,
mit dem Kind da rechnet keiner.

Das spontane Kind. Das helfende Kind.
Die Wunderwaffe für alternde Hirne.

Das Kind allein im Regen
bleibt stehen, schaut in die Wolken,
schaut hinauf in den Himmel,
sieht die Tropfen fallen,
links sind sie weiß und rechts sind sie schwarz.

Hilf, hilf, das tropfende Kind,
so kommt es hernieder. Nieder, nieder,
immer wieder, hernieder, ohne
Unterlass. Ganz nass.

Trägt die fallende Welt kopfüber mit
sich bis es landet. Dann ist alles vorbei.

Wind


Der Wind, der Wind, das himmlische Kind...

Dunkel war es gestern und dann sehr windig,
Regen, der den Schnee aushöhlt,
ist um die Ecken gefegt,
und der Wind, direkt ins Gesicht,
entlang der Wangen,
an den Ohrenkanten vorbei geheult,
damit man es auch deutlich vernehme.

Von allein,
kann nicht die Rede sein,
da war doch der Wind
seine Vehemenz,
sein Wehen, Fegen und Flüchten
in der Dunkelheit.

Erfrischend, rüttelnd, auch feindlich,
gegen Gewohnheit und Bequemlichkeit,
fauchend wie eine genervte Katze,
die unvermittelt und empört
hinter einer Häuserecke hervorspringt
und spurlos zwischen parkenden Autos verschwindet.

Der Wind, zwischen zwei Ohren,
hinein in Gedankenfluten,  
die ich nicht lassen konnte,
inmitten Gedankenfluten,
in denen ich zu ertrinken,
zu ersticken drohte,
der Wind weckte mich, holte mich
zurück auf die Straße,
lud mich ein, der Unwirtlichkeit
und dem Glänzen nassen Asphalts
zu trauen.

Er weckte mich auf, lud mich ein,
war da, blies in Matsch und Pfützen,
blies in den Regen, blies in die Bilder,
einer nassen Stadt am Samstagabend,
kurz bevor die Geschäfte schließen.

Blies Leere um die Häuserecken,
wo die Schaufenster noch heimelig
beleuchtet sind, das Bunte allerlei
noch Begehrlichkeiten weckt.

Wind weckte mich auf.
Fegte mir direkt ins Gesicht,
heulte um meine Ohren.
Nichts ist selbstverständlich.
Auch der Wind nicht.  

Samstag, 21. Januar 2012

Rockstars


Eine Dokumentation über die Rolling Stones. Der unglaubliche Charme, Sex, Auflehnung, Wut, Charisma – alles was einem Betrachter entgegenkommt, wenn er Mick Jagger und Keith Richards und Charlie Watts über den Bildschirm flimmern sieht.

Rockstars. Ungeheuer attraktiv. Zum verlieben. Wen oder was liebt man, wenn es einen wegen einem Rockstar erwischt?

Der Faszination erliegen. Wunschträumen nach eigenem Ausdruck. Sehnsucht nach der eigenen Wucht und Wut. Sehnsucht danach, es allen zu zeigen. Einen Stinkefinger für alle und doch so genial sein, dass man trotzdem noch geliebt wird, trotzdem noch oder noch mehr gewollt wird. Kein Rolling Stone wurde weniger berühmt, geliebt oder attraktiv, nur weil sie ein Hotelzimmer zertrümmert hatten.

Was macht diese Bewegungen so unglaublich anziehend? Mick Jagger von hinten, sein Gang, seine Art zu gehen, schmalhüftig und dabei auszudrücken: Leckt mich doch am Arsch und das voller Energie und Grazie, wie ein Tänzer, seine Rückseite zu kontrollieren, sie den Blicken mit samt einer Botschaft zur Verfügung zu stellen, zu wissen, dass er nun gesehen wird, zu wissen, dass seine schmale Silhouette, sein Selbstbewusstsein, er, ganz er zu sein....

....wobei dieses ganz „er“ ein Werbegag, eine Erfindung ist – angeblich: Er sei ehrgeizig gewesen, intelligent, fleissig. Er hätte eine 1a Jugend gehabt, keinerlei Traumata. Nichts an ihm sei aufmüpfig, daneben oder undiszipliniert gewesen.

Und dann später, als junger Mann, im Pelzkragen, mit Blick in die Kamera, mit Sonnenbrille, mit dem Blick, „ich fick Deine Schwiegermutter“, und dann die Aussage: Oh nein, ich nehme keine Drogen, das ist doch gegen das Gesetz.

Ungeheuerlich, angstfrei, größenwahnsinnig, gnadenlos von sich überzeugt. Und auch unmenschlich: Als einer der Rolling Stones, Brian Jones, in die Drogensucht abglitt, sage einer der anderen dazu: „Wir hatten keine Zeit, uns um Brians Probleme zu kümmern.“

Kräftemessen und Respekt vor den gemessenen Kräften. Man sieht es ihnen einfach an, dass sie vor nichts Halt gemacht haben, alles, was ihnen eingefallen ist, ausgelebt haben „wir haben gefickt wie die Karnickel“ und sie sehen immer noch gut aus und gefährlich anziehend.

Würdig auch. Mick Jagger im Hemd mit gestärktem Kragen. Er sieht unverschämt gut aus. Keith Richards ebenfalls. Habe früher immer behauptet, dass mir die Art von Mick Jagger zu vulgär sei. Man hätte auch dranschreiben können: war mir zu verboten.

Da ist was Verbotenes an dieser Lebendigkeit, an der Erotik sowieso. Aber da ist nichts Mitmenschliches zu erkennen. Das sind Ikonen, geboren, gesehen zu werden, begehrt zu werden. Nicht um eingefangen zu werden.

Dieser Wunsch, denen nahe sein zu wollen, der stellt sich sofort ein. Das Gefühl es mit ungeheuerlich interessanten Menschen zu tun zu haben. Wie ein lebenverheißender, betörender Duft.

Und all das war auch L. für mich. Ist er auch für mich. Er verfügt über die Attraktion eines Rockstars. Alles erlebt. Ohne Tabus. Mit Humor. Nicht bürgerlich. Nicht kleinlich (er versteckt seine heiligen Cds unter seiner Kommode, bevor ein Übernachtungsgast kommt – könnte ja sein, dass er/sie drauftritt) – nur nach eigenen Regeln lebend – nur und alles nach den eigenen Regeln. Come in, this is my wonderland, and this is my wonderpowerbar....

Und Mick Jagger oder Keith mit den magischen Augen und L. oder Charlie Watts als mittlerweile geheimnisvoller Schlossherr, diese unglaublich interessanten Gesichter – wo ist da der Unterschied?

Ich spüre, wie ich zum Groupie werde, mein Leben klein und unbedeutend, voller unerfüllter Momente und Sehnsüchte, Power, die keinen Ausdruck findet (Hier im Zimmer ist es zu laut.... beklagte sich die Arbeitskollegin)

Power, die sich an den falschen Stellen entlädt, Power, die, wenn nicht am richtigen Platz, Feinde schafft, Power, die irgendwie nicht richtig rauskommt, irgendwo vor sich hingammelt und einen nicht mehr schlafen lässt.

Es ist ja etwas da, wonach ich Sehnsucht und Heimweh habe. So sehr, dass ich auch von L. nicht ablassen kann, und starke Gefühle habe, wenn ich Keith oder Mick über die Bühne hüpfen sehe, wenn ich sie in Inverviews sehe, diese lebende Absage an die bürgerliche Welt. 

Diese Existenzform, die man immer wieder totgesagt hat, zu Unrecht, wie man sieht, die Herren sehen großartig aus, versprühen Esprit, Leben und eine unsichere Weisheit. 

Man erwartet Leben und Leidenschaft, sieht das Geheimnis eines eigenwilligen und erfüllten Lebens, sieht die Angstfreiheit und hat sogar das Gefühl, dass ihnen die eingemeißelten Falten sehr gut stehen, jede eine Story wert ist.

Traum von den Medusen

Im Morgengrauen ein Traum vom Meeresufer mit Blick ins Wasser, in dem Medusen schwammen, eine darunter eine Feuerqualle, die sich sehr schnell um sich selber drehte und mit der Zunge der heranrollenden Wellen in Bewegung versetzt wurde. Hingebungsvoll wie Quallen dem Wasser hingegeben sind. Dem Wasser so nah, vom Wasser in Bewegung und in jenen geheimnisvollen Tanz versetzt werden, der sie so anziehend macht.

Ich sah auf die Medusen, voller Bewunderung und Faszination. Näher kommen wollte ich ihnen nicht. Eine Berührung mit der Feuerqualle würde höllisch brennen. Niemals jedoch hätte ich den Blick abgewendet.

Ich tauchte aus dem Meer auf, befand mich am Strand, an jenem Saum, wo Wellen mit flachen, schaumgesäumten Zungen am Meeresstrand lecken.

Eine ältere Dame mit Wichtigkeit und Mission, offensichtlich aus Osteuropa stammend, kam mir entgegen, mit brauner Handtasche und hellbraunem, hochgeschlossenen Mantel, braunen Lederschuhen, direkt am Saum des Wassers, am Strand, die mir mit etwas Akzent, aber grammatikalisch einwandfrei, sagte: Bei M.D. musst du aufpassen.

Ein ganz trauriges Lied - aber nicht ganz aussichtslos


Ein Lied, ein Lied, ein Lied
ich schreibe ein Lied
Kummertrunken
Bis oben hin voll

Voll mit Tränen und mit Kummer
Untröstlich, verlassen, traurig
bis oben hin, randvoll gefüllt und
gefühlt.

Ich fühle das, ich ertrage das,
ich drücke das aus.

Ein Lied, ein Lied, ein Lied
aus all dem Leid.

Ein Lied für ein Kleid,
ein Lied für die Tiere,
ein Lied für die Mitmenschen
ein Lied für das einsame Herz.

Ein Lied für das Herz

Ein Lied gegen den Schmerz
Ein Lied gegen den Kummer

Ein Lied mit dem Schmerz

Hier wird der Schmerz zum Scherz
Hier wird der Kummer immer dummer
Hier geht es weiter fröhlich und heiter
Hier führen die Wege weiter
Hinaus auf neues Land

Der Auszug eines ganzen Volkes aus Ägypten
Der Auszug aus der Knechtschaft und aus
der Demütigung.

Der Auszug durch das Rote Meer
Der Auszug in die Freiheit und hinein
in die Möglichkeit es selbst zu gestalten.

Ein Lied für die Schönheit und für das Glück
Ein Lied nach vorwärts; es geht nicht mehr zurück.

Ein Lied für den Mut voranzugehen.
Für den Rhythmus, für die Spur, für die Richtung.

Ein Lied für ein Leben in freier Gestaltung.
Ein Lied für den Auszug aus der Knechtschaft
in die Gotteskindschaft.

Geh nur weiter. Der Rest wird sich finden.
Geh hindurch, durch dieses Meer mit angehaltenem Atem,
mit gestauten Tränen, mit Wänden aus nasser Wut.

Geh nur voran. Nur Mut. Nur Kraft.
Hey, ich wünsch Dir den Saft und die Kraft für diesen Weg.
Nur Mut. Voran. Es geht nicht mehr zurück.

Ein Lied, ein Lied, ein Lied,
eingefädelt in die Suchmaschine,
ein Lied wie eine Naht,
wie eine feine Spur, in der es nach vorne geht
und nicht mehr zurück.

Irgendwann wirst Du weinen vor Glück!

Mit Traumtänzern und Schalentieren.
Mit Prügelbrüdern und Charmeuren.

Es wird egal sein. Vollkommen egal.
Das Lied geht weiter. Das Leid gehr vorüber.
Vom Leid ins Lied ins Leid ins Lied.

Leid ist der Brennstoff, der im Lied aufgeht
wie der Mond und die Sterne.

So ist das. Fürchte Dich nicht. Denn ich bin bei
Dir alle Tage Deines Lebens.

Du bist behütet und geleitet. Was willst Du mehr?

Eindrücke und Gedanken

Wenn ich mal genauer hinsehe, dann gibt es so viele Eindrücke. Wenn ich mal genauer hinsehe, anstatt immer nur zu denken, was ich fühle, dann ist immer Welt um mich rum, will heißen:

Ein Raum und seine Eigenschaften und in mir drin, irgendwo da im Kopf die Gedanken und im Körper die verschiedenen Empfindungen im Körper zu sein.

Gestern abend, da saß ich im Bus und ließ mich geruhsam von der Arbeit quer durch die Stadt nach Hause kutschieren. Es schneite. Die Leute, die einstiegen waren eingeschneit und wurden im warmen Bus recht schnell feucht. Im Bus war es dampfig. Die Fenster beschlugen. Irgendwann waren sie so eingenebelt, dass man nur noch Strukturen und Lichter sehen konnte.

Strukturen von heruntergelaufenen Wassertropfen, in denen sich die Lichter von Ampeln wiederfanden und als farbig Nebelbänke auf den Scheiben abbildeten. Rot und Grün. Orange Lichter. Wozu in die Disco gehen, ein Auto blinkt. Die Rücklichter als Chinesische Augen in Szene gesetzt. Lastwägen und PKWs mit unterschiedlichen Blinkerhöhen. Die Nebelstruktur auf den Scheiben gezeichnet von Abdrücken, die die Fahrgäste hinterlassen haben: Haarstrukturen, Wischstrukturen, Zufälliges, das vom Anlehnen zurückgeblieben ist.

Eine Horde Jungs mit vorschriftsmäßiger Kleidung und nur bestehend aus möglichst coolem Gehabe, Handshake, Baseballkappe, Gesäßteil der Hosen bis in die Knieekehlen hängend, möglichst klobige Turnschuhe, T-shirts, riesige Wollkragen-Schals im Handstricklook und darüber Kapuze. Haltung: Kopf irgendwie eingezogen und immer so, als wären die Räume zu niedrig, die Körperlänge in der Raumhöhe nicht aufrecht unterzubringen.

Es hat alles seine Ordnung und natürlich eine Fön- oder Gelfrisur – wahlweise. Die die gegeelt waren, waren beschäftigt, die gefönten auch, mit neckischen Handbewegungen die das Pony von links nach rechts drapieren oder eben Headshakes, die das Ganze in die zufällige Ordnung einer Snowboarderwerbung bringen, die einen Snowboarder zeigen, der gerade heile vom Berg runtergekommen ist und dabei die ganze Zeit Fahrtwind in die Haare bekommen hat.

Dazwischen ein-zwei Kurzhaarschnitte, die keinerlei Aufmerksamkeit benötigten, dafür waren dann Ohren oder Nase gepierct. Irgendein männlicher Schmuck muss sein. Von Mädels süß gefundene Silberringe an den Fingern, Kettchen am Arm oder am Hals, als Erinnerung an Süditalienische Mafiabosse.

Alles mit Stil. Einer, der trug nur sein T-Shirt und ansonsten Muskeln unter der Haut. Und das bei Scheefall. Die Kumpels fragten ihn doch gleich, fast wie erwartet, ob ihm nicht kalt sei. Woraufhin der natürlich sagte, dass ihm nicht kalt sei. Männer.

Zwei Mädels saßen entgegen der Fahrtrichtung im Bus und tranken Bier aus der Flasche. Jede nuckelte an ihrer eigenen Flasche. Die eine Blond. Die andere Schwarz. Die Blonde mit einer zerschlissenen Jeans, große Löcher am Oberschenkel, sorgfältig abgeschliffener Stoff. Die andere weiß ich nicht.

Die beiden waren ansonsten nicht auffällig, redeten nicht und lachten nur leise. Orientierten sich auch nicht an den Jungs und die Jungs auch nicht an ihnen. Die Jungs waren unter sich und es war nur schwer herauszubekommen, worum es außer der Ein- und Ausübung von Gehabe und einer bestimmten Art von Ehre und dem Wettbewerb „Wer ist hier der coolste?“ überhaupt gegangen wäre.

Handbewegungen, die eine relativ eindeutige Natur hatten, wahrscheinlich ging es um die Handhabung von Computerspielen, hektisches in das Smartphone Reingehöre (wer redet hier von Handies? die sind längst vorbei) – ey, halt doch mal die Klappe, ich höre nichts, dann Headshake, er hat etwas gehört in seinem schwarzen Smartphone.

Die Mädels sitzen vereint auf den Sitzen und teilen sich mit schräg gehaltenen Köpfen einen Kopfhörer und bewegen sich zu einem bestimmten Musikstück, halten die Finger an die Ohren, damit die Stöpsel nicht rausfliegen.

Die sind alle an der Station "Graue Freiheit" ausgestiegen. Ich fands interessant. Aber fremder als Einwohner eines fernen Dorfes hätten die mir nicht sein können. Mit diesen ganzen ungeschriebenen Gesetzen, die das Miteinander dieser jungen Leute regeln. Gesetze, in die ich nicht eingeweiht bin und auch nicht eingeweiht sein soll. In den Augen dieses Teils der Jugend existiert man gar nicht erst oder wird unter der Schublade Lehrer, Eltern oder irgendwas anderes abgelegt und gänzlich ignoriert.

Noch bin ich jung genug, mich nicht wirklich daran zu stören, von der Jugend ignoriert zu werden. Aber was, wenn man dann doch auf die Hilfe der jüngeren Generation angewiesen ist?

Was tu denn ich, um den Vertretern der älteren Generation zu helfen?

Ich versuche ja immernoch so viel wie möglich zu lernen.

Aber es gibt auch Dinge, die will ich überhaupt nicht lernen. Computerspiele zum Beispiel. Das habe ich nur einmal probiert, mit dem turnschuhtragenden Marienkäfer, der Marienkäfermädchen aus Schneckenfallen befreit und der selber von dicken Nacktschnecken bedroht wird:

Die vorantreibend, melancholische Musik bei dem Spiel hat mich so traurig oder hektisch werden lassen, dass ich es nicht lange durchgehalten habe und dann: von der Willkür, oder der mir nicht einsichtigen Ordnung, eines Bildschirmspiels rumgeschickt zu werden, das hat mir einfach keinen Spaß gemacht. Ich bin gleich ausgestiegen. Und wenn ich von Ego-Shooter-Spielen höre, gelegentlich mal ein Bildschirmfoto davon in einer Tageszeitung sehe, dann kommen immer nur ablehnende Gedanken. Ich würde ja auch nicht auf eine Achterbahn gehen oder einen Bungeesprung unternehmen.

Lieber sitze ich herum und hänge meinen Gedanken nach. Oder ich beobachte. Lasse mich rumfahren.

Ja, das ist immer noch so und unvermindert: Er fehlt mir. Das sind Gedanken und Gefühle. Vor der Arbeit und nach der Arbeit. Vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen.

Gegenmittel: Keins. Alternative: Selber etwas vom Glück produzieren. Selber etwas tun, anstatt zu warten. Etwas Neues, anstatt dem Alten ständig nachzuhängen.

Gestern war Freitag. Da haben wir uns meistens am Abend getroffen.

Gestern war Freitag und ich habe bis um acht Uhr im Büro gearbeitet und bin dann mit dem Bus nach Hause gefahren. Allein. Habe mich auch allein gefühlt. Habe nicht gewusst, wie Nähe erschaffen.

Ich komme nach Hause und will sofort ins Bett und sofort einen Krimi gucken und sofort nach der Arbeit springe ich auf die nächste Art des Beschäftigtseins über: Von der Arbeit, vom Bus und dann vors Fernsehen.

Durch den Schneesturm nach Hause. Riesenflocken. Und weil es so warm ist, waren sie patschnass, als sie mir ins Gesicht und in die Augen klatschten. 

Ich habe schnell gemacht, mit dem Heimkommen, den Kopf eingezogen, beim reinkommen, habe meine Heizung angedreht, mir einen Tee aufgesetzt und noch eine Freundin angerufen.

Ich habe mir von ihr von den Eigenschaften ihres Sohnes erzählen lassen. Ein Kind, das nie ein Kind war. Ein Kind, das sich ständig in die Welt der Erwachsenen einfindet. Es gibt für ihn keine Spielwelt und auch kein Kindsein.

Nur den Ernstfall, für den es sich brennend interessiert, den es sich mit sehr viel Intelligenz zusammenreimt, mit einem Verhalten, das man als Erwachsener nicht von einem Kind erwartet. Mit einem Verhalten, das altklug und viel zu intelligent und logisch ist. 

Ohne Kinderlogik. Eher mit der Logik eines chronischen Weltverbesserers, dem man es aufgrund seines Alters als Klugscheißerei auslegt, denn als ausgereiftes Weltverständnis. Letzteres ist aber tatsächlich eher der Fall.

Man würde ihm seinesgleichen wünschen. Eine kleine Liga hochbegabter Kinder, die untereinander fachsimpeln und ihm die Einsamkeit nehmen könnten.

Er rettet sich rüber zu den Erwachsenen, weil alles, was ihn interesssiert, dort zu finden ist. Nichts ist bei den Kindern zu finden für ihn. Er spielt nicht mit Teddies, Autos oder Computern. Er will die Autos, den Computer und den Aufbau einer Uhr, eines Radios, einer Waschmaschine verstehen, die Struktur und die Funktionsweise.

Er beobachtet wie andere „ticken“ – hat aber sich selber nicht im Griff. Er kann nicht anders als bedingungslos seinen Ideen zu folgen – so grandios die auch sein mögen, andere Menschen würden sich lieber von ihm respektiert fühlen, dann wäre es für sie einfacher, sich für ihn zu interessieren.

So wehrt man ihn komplett ab und bekommt von all dem, was er zu bieten hat, nicht viel mit. Ich zumindest wollte von ihm erst einmal nichts mehr sehen oder hören. Keine Belehrungen, kein Wissen, kein Knowhow – auch wenn er alles weiß: Geschichtsbücher liest er. Gebrauchsanweisungen liest er. Betätigt sich in den Bereichen Haushaltstechnologie und Gestaltung. Will überall seine Ideen zur Verbesserung der Welt bedingungslos durchsetzen.

Man selber, wenn man einfach so da sitzt und sich über irgendetwas unterhält, was schon längst vorbei ist, wie ich das mit seiner Mutter fast immer tu, kommt sich dann irgendwann blöde vor, weil es eben nicht gelingt und auch gar nicht in der Absicht liegt, sich mit Gegenwärtigem zu beschäftigen.

Mit seiner Mutter rede ich immer über irgendwelche Leute, die wir gemeinsam gekannt haben. Wir lieben es über deren Eigenschaften zu sprechen. Wir tauschen Erinnerungen aus. Erinnerungen über Lebensabschnitte, die wir gemeinsam erlebt haben. 


Wir kauen zum 1000sten oder 100000mal durch, was der eine oder andere gemacht hat, wie wir das erlebt haben und so weiter. Das ist, als würden wir es lieben, eine Wunderland-Schallplatte immer wieder neu zu erzählen, den gleichen Film aus verschiedenen Lebensaltern heraus immer wieder zu sehen. 


Weißt du, sage ich zu ihr, Winnetou war schon immer mein Held und der ist mit mir mitgewachsen und ich liebe es heute, so wie früher, über das zu sprechen, was mir an Winnetou so gut gefällt. Seine Erhabenheit, seine edle Größe und das man ihm zutraut, wahrhaftig zu lieben und sich für eine Liebe zu entscheiden. Die Liebe zur Wahrheit und der Umgang mit Natur und natürlich der Umgang mit Frauen. Winnetou konnte reiten, so wie ein Rockstar singen kann.

J., ihr Sohn, macht sich über die Elektrik her, optimiert die Schichtung des Kaminholzes zu Dekorationszwecken und studiert die Gebrauchsanweisung für den Spielecomputer seiner kleinen Schwester und will anderen die Welt erklären, so wie er sie begriffen hat. Mama, jetzt hör doch mal zu, und er befasst sich mit ihrem neuen Handy und will ihr all die Features nahelegen und die Handhabung dieses Gerätes.  

Analytisch. Logisch. Im Ernst und ohne Spiel. Er hat überhaupt nicht diese Schutzschicht wie unsereins, der es fertigbringt in irgendwelchen Träumen und Phantasien seine Zeit zu vergeuden, anstatt einen tatsächlichen Einfluss auf die Gegenwart zu haben.

Der hat das gemacht und der hat das gemacht und das war so und so oder eher doch so und aus der jetzigen Perspektive sieht es so und so aus. Wie zwei Alträucher, während der Junge die Waschmaschine repariert, die Steckdose versetzt und dies demonstrativ auf dem Wohnzimmerteppich und genau in seiner Mitte vollführt, während wir nichts anderes im Sinn haben, als in irgendwelchen alten Kamellen zu schwelgen, zu fachsimpeln, zu mutmaßen, lauter sinnloses Zeug, so lange wir nur nicht gegenwärtig werden müssen, aufräumen, einen Blick auf die Bedürfnisse der Kinder, des Hauses, des Hundes, des Gartens oder der Gegenwart zu richten.

Was können wir tun, um unsere Welt zu verbessern? Was können wir tun, um die Funktionen unserer Welt zu verstehen? Nein, ich glaube, wir leben in weitgehend in unseren Träumen und Geschichten, in unseren Leidensgeschichten und in unseren Erinnerungen, wir hängen irgendwo in einem längst luftleer gewordenen Raum herum und wollen dabei absolut nicht gestört werden.

Der Raum, in dem wir uns bewegen, der bietet die Sicherheit, das er schon vorbei und längst erkaltet ist. Das ist unsere Sicherheit. Das ist die Sphäre in der wir uns gefahrlos und von daher überlegen bewegen können.

Wir sind nicht gegenwärtig. Wir sind nicht präsent. Wir hängen in unseren Geschichten. In unseren Weltkonstruktionen, die unsere Prägung wiederkäuen. Wieder und wieder.

Wir schaffen es gar nicht, uns mit Gegenwart zu beschäftigen, geschweige denn, so etwas wie eine Zukunft zu schaffen. Wir leben nicht im Augenblick. Nicht in der Gegenwart. Wir brauchen immer eine Menge Fluchttüren in die Erinnerung und auch in die Mutmaßung darüber, wie es denn gehen könnte oder besser sein könnte oder wie es denn vielleicht richtig ist.

Wir reden auch gerne über andere oder über das, was wir von uns selber denken oder zu wissen glauben – aber auch das findet im Traum statt.

Der Junge versetzt in der Zeit die Steckdose, damit man sich nicht so weit rüberbeugen muss, wenn man sie benutzt. Der Junge hat den Stecker aufgeschraubt, holt einzelne, bunte Kabel aus den inneren Plastikrinnen des Steckers, sieht sie sich an, biegt sie raus und wieder zurück, verlängert das Kabel oder verkürzt es, der Hund will pinkeln und die Tochter nicht mit ihm raus, alle wollen uns und wir wollen nicht raus aus unserer Gespensterwelt, einer Welt aus längst vorbei, irrelevant, nicht gegenwärtig, einer Welt aus Träumen und Erinnerungen an vergangene Liebschaften.

Es hätte so sein können oder doch auch so und hätte er es so verstanden, dann wäre es mir so gegangen, und damals habe ich dieses oder jenes nicht so oder doch so verstanden. Alles so irrelevant.

Wir rauchen, wir trinken Tee, wir sinnieren, tauchen ab, vergessen die Welt. Wir wissen nicht, was wir da tun, in dem wir glauben, wir wüssten, was wir da tun und in dem wir glauben, wir hätten alles im Griff.

Wir leben in der Vergangenheit, in der Erinnerung, wir driften ab und weg und merken es nicht und der Junge stört. Für ihn gibt es nur den Ernst der Gegenwart und ihrer Funktionen. Von Funktionen haben wir keine Ahnung. Das war in der Schule. Wir haben es nicht gelernt uns für jene Welt zu interessieren, in der wir tatsächlich leben. Wir reden und pflegen den Nachhang, die Nachwirkungen einer Welt, die wir auch damals schon nicht verstanden haben. Weil wir damals schon genauso wenig gegenwärtig waren wie jetzt.

Für Kinder gibt es erst mal nur die Gegenwart, bis auch sie dann anfangen, Vergangenheit anzuhäufen.

Und das war mir gestern aufgefallen, als ich die beschlagenen Fenster des Busses ansah, diese ganzen Spuren, die sich im Beschlag abzeichnen, diese Vergangenheiten, die sich als Spur in der Gegenwart abzeichnen.

Der Abdruck von Haaren eines Kopfes, der sich während der Fahrt müde an das Fenster angelehnt hat, der Abdruck von Kindergesichtern, die mit dem Nebel auf dem Fenster ihre Spiele gespielt haben, Nase reindrücken, Stirn abdrücken, mit der Zunge ablecken, die Lippen auf die Scheibe pressen, all das hinterlässt Spuren.

Mit der Vergangenheit in meinem Hirn werde ich niemals fertig werden. Die ist mittlerweile ein prallgefüllter Sack. An den traurigen Geschichten hänge ich besonders fest. Untrennbar hänge ich an denen dran und kann immer noch darüber heulen. Jeden Tag neu. Aber ich sehe auch nicht die Alternative dazu.

Es ist nicht so leicht, immer wieder zu vergegenwärtigen, das nur man selbst für sein Erleben zuständig ist und niemand anderes. Der kurze Weg wird immer wieder erhofft: Andere sollen für Erlösung sorgen. 

Simply a song

A song for you and me,
for heart and for heaven.

Simply a song about pain, about love,
a song with love for you and for me.

Touching hearts,
and giving way to heaven.

A song, close to feeling,
like a ring embracing your finger.

No reason for shame.
No reason for hiding.

A song, simply a song.

Coming and going,
breathing in and breathing out,
going in and going out.

Ein Liebeslied

Du gehst mir nicht aus dem Sinn,
weil ich so verliebt in Dich bin.

Immerzu muss ich an Dich denken
und ich möchte Dir so gerne meine Liebe schenken.

Von mir für Dich.

Ich denke an Dich und ich denke an mich.
Ich wüßte nicht, wie ich es anders sagen soll.
Ich liebe Dich über alles in der Welt.

Du bist mein Held und meine Sonne.
Du bedeutst mir alles,
Du bist meine ganze Wonne.

Ich habe keinen ausser Dir.
Ich kann gar nichts anderes sagen,
als ich sehne mich nach Dir.

Ja, es ist an der Zeit,
dieser Liebe endlich Ausdruck zu geben.
Nicht zu zweifeln und nichts zurück zu halten.

Ich liebe Dich.
Du bist das Wichtigste für mich.

Ich muss nicht originell sein und auch nicht speziell.
Ich muss noch nicht mal etwas besonderes sagen,
nur dieses Eine:

Ich liebe Dich.

Das hätte ich Dir vielleicht mal eher sagen sollen.
Hätte ich doch wenigstens mal
den Weg zu meinem eigenen Herzen gefunden...
ohne jeden Umschweif, ohne Zögern und ohne Versagen.

Hätte ich es Dir doch gesagt,
hätte ich mich getraut, anstatt mir alles zu versagen.

So ist es nun.
Ich werde meinem Herzen eine Stimme geben.
Raum und Worte.

Ich werde seinem Atem lauschen
und mich an seinem Fluss berauschen.

Ich muss nicht originell sein und auch nicht speziell.
Aber eines hätte ich Dir vielleicht sagen sollen:
Ich liebe Dich und es gibt keinen anderen für mich.

Das war schon immer so
und daran hat sich nie etwas geändert.
Ich stehe dazu und etwas anderes
habe ich nicht zu sagen.

Ich werde tun, wonach mir ist, wann immer es geht und
ich werde mich meiner Gefühle nicht mehr schämen.

Und wenn es mir übergeht,
mit den letzten Worten der Welt.
Ich gehe mit und werde mein Herz
erkennen und erhören.

Ich bin frei.
Mit der Kraft des Herzens.
Führe mich, wohin Du willst,
und lass mich nie wieder allein.

Kraft des Herzens.
Führe mich, wohin Du kannst.
Wenn ich zu Dir stehe, was sollte gegen mich sein?

Dich liebe ich und das war niemals anders.
Hätte ich es Dir doch einfach mal gesagt.

Ohne Umschweife: Es hätte nichts geändert,
aber es wäre meine Wahrheit gewesen.
Ausdruck von Treue und Wahrhaftigkeit.

Ein Lied

Ein Lied, ein Lied, ein Lied,
für Dich, für mich,
für's Herz und für den Himmel.

Ein Lied über Schmerz,
ein Lied für die Liebe,
für Dich und für mich.

Das geht ans Herz und
das geht in den Himmel.

Ein Lied, das bringt uns unseren Gefühlen näher.
Ein Lied, das fasst die Gefühle ein,
bringt sie in Form,
wie ein Ring sich um den Finger dreht.

Kein Grund zur Scham,
kein Grund zum Rückzug.
Ein Lied, ein Lied, ein Lied.


A song for you and me,
for heart and heaven.
A Song about pain, about love,
a song with love for you and for me. 

Touching hearts,
giving way to heaven.
A song, close to feeling,
like a ring close to your finger.

No reason for shame.
No reason for hiding.
A song, simply a song. 

Coming and going,
breating in and breating out,
going in and going out.

Ein Lied für die Blumen auf der Wiese
und für die Vögel im Baum.
Ein Lied für alle, die es längst verdient haben.

Mach' es kurz, gib es her, trau' Dich
und spring und tu' es wieder.
Spring' immer wieder und 
schreib' ein Lied für Dich,
fürchte Dich nicht. 

Give up and give in,
we are here with you,
not for a special reason,
it's for the reason of love,
which is everything.

How about you?
How about me?
How is our way?
Let's go home!

Ein Lied für die beschriebenen Blätter.
Ein Lied für die, die es nötig haben.
Ein Lied für alle, die schon lange kämpfen.
Ein Lied für die, die alleine sind und bleiben.

Ein Lied, das geboren wird
und allem eine Chance gibt.
Ein Lied mit Kraft und ohne Tragik.
Ein Lied für die, die es einfach nur wagen wollen. 

Letting things go

Let things go with the river of life, love and time.
It goes as it goes. Softly, wild, like water,
shimmering in the moon, flowing away,
forever and ever, passing away and never
coming back.

Leaving behind the trees at the riverside.
Leaving behind those who crossed the river.
Leaving behind the flying birds.

Bringing new and fresh waters
coming from far away and going far, 
too far to follow.

Once in a life starting with the beginning
and ending with the end.


Maybe is not too bad.
Maybe would be the right thing.

My heart is beating. My soul is shivering.
My soul is like the moon,
receiving secret light and secrets of wisdom.

Leaving everything behind, for one flight
and another flight back.

A flight to light and love.

Letting things go. 
No worries. No stories. No drama – as you are
the drama queen. 


Put the drama in your books and writing.
And live happily and quiet with all that you give,
with all that you receive.

Samstag, 7. Januar 2012

Sehr, sehr böses Weihnachten, wirklich sehr böse...

So. Die Weihnachtsfeiertage sind vorbei. Wie war’s? Ganz o.k. Hab’ viel Fernsehgeschaut. Was soll man auch machen? Draußen ist nix los. Man hört nichts und man sieht nichts. Zum rausgehen hatte ich echt keine Lust.

N’ bisschen Sport im Fitnessstudio hab ich gemacht. Man kann sich ja nicht so komplett hängen lassen. Ich mein, so’n bisschen Sport muss schon sein, damit die Kiste am Laufen bleibt und man Nachts schlafen kann. Nix tun ist schließlich auch ganz schön anstrengend. Bin ja auch nicht mehr die Jüngste.

War’n auch n paar andere da, im Fitnessclub. So war ich nicht so ganz allein. Angucken tun die sich allerdings nicht. Beim Sport guckt man auch in den Fernseher. Das heißt man guckt in zehn Fernseher gleichzeitig. Besser man glotzt. Links Pippi Langstrumpf, rechts Lady Gaga, dazwischen HomeorderTV und News. Irgenwo ham se Kirchen in die Luft gejagt.

Eine, die neben mir strampelte, die hab ich von der Seite angeguckt, die hat nix gemerkt davon, dass ich sie angeguckt habe. Eine andere, die hat es sofort gemerkt. Da war’s mir dann fast peinlich, ihr so unvermittelt ins Gesicht geguckt zu haben. So von Stepper zu Stepper.

Alle stehen da drauf und hampeln vor den roten Anzeigen rum und glotzen. Ich auch. Ich hab nur kein Kabel in den Ohren stecken und hör, wie die Schnaufen und ich rieche auch diejenigen, die dann ihre Zigaretten mit dem Schweiss ausdünsten.

Es ist übrigens nichts passiert. Die war ganz klein, im roten T-Shirt, die, die ich angeguckt habe. Vielleicht hat sie’s deswegen gemerkt, weil sie so klein war. Da merkt man vielleicht schon mal was. Die hat sich nicht zu erkennen gegeben, dass sie mich gesehen hätte oder so. Sie hat ganz schnell wieder weggeguckt und weitertrainiert und auf die Fernseher geguckt. Die wollte es mir leicht machen. Die hätte sich ja auch beschweren können. Oder so.

Die anderen haben jedenfalls nichts mehr gemerkt. Ein Typ war da, junger Typ, Marke „Schlafender Biber“, n’Meter neunzig, der hat so fast-knielange, hellblaue Plastikhosen angehabt und der hockte im Zirkeltraining auf einem Gerät drauf, während ich die ganze Runde nach Vorschrift und im Rhythmus von Grünen und Roten Lichtern absolviert habe.

Der saß da auf seinem Gerät, in seinen Babyhosen, war verkabelt, d.h. er hatte Stöpsel in den Ohren und manchmal, da hat er sich unvermittelt bewegt und ansonsten saß der regungslos da. Schlafender Biber eben.

Den hab ich angeredet, als ich an sein Gerät kam, der hat nix mehr gehört und gemerkt und einfach so Löcher in die Luft gestiert. Ich weiß gar nicht, wo der eigentlich hingeguckt hat. Ich musste erst mit den Armen vor seinen Augen wedeln, das hat er dann gemerkt und mich verschlafen angeguckt, sagen wir, er hat mich ungefähr anvisiert. 

Ich hab ihm dann die ganze Sache mit dem Zirkeltraining erklärt, damit ich auch mal an das Gerät rankann – da sagt der zu mir, wüsste er schon, er müsse halt nur erst die erste Übung machen.

Wahnsinn. Der pennt doch voll, habe ich mir gedacht. Ich guck immer, was die anderen machen, und die kriegen gar nix mehr mit. Da hab ich nicht aufgegeben, sondern gesagt, o.k. könne er ja machen, also seine erste Übung, er solle mich nur schnell mal ranlassen, er könne ja dann weitermachen mit seiner ersten Übung.

Irgendwann im Laufe des Tages ist mir immer der Sprit ausgegangen, am ersten Weihnachtstag und am zweiten Weihnachtstag auch. Regelrecht ausgegangen bin ich und ich hab’ echt nichts mehr mit mir anfangen wollen.

Mir sind nur so Fetzen durch den Kopf. Was ich hätte können, sollen, wollen sollen, wollen müssen, hab gemeint, da hätte sich in mir irgenwie noch mehr regen müssen und gleichzeitig wollte ich nachgiebig sein, war ja schließlich Weihnachten und man kann ja nicht immerzu, was von sich verlangen.

Also, hab ich dann wenigstens die zwei Tage mal nix von mir verlangen wollen, zumindest der Teil von mir, der darüber nachgedacht hat. Der andere war natürlich schon der Meinung, ich hätte was machen müssen, damit es nicht so läuft, wie es dann gelaufen ist, also mit dem Fernseher und so.

War ja nicht so, als hätte mich das wirklich interessiert. Die Auswahl an Sedungen, die ich nicht sehen wollte, die war viel höher, als das, was dann irgendwie noch und zur Not gegangen ist.

Beim Fernsehen, da bin ich schon skeptisch und irgendwie brauch’ ich mittlerweile Fernsehen für Fortgeschrittene. Ich kann diese Weihnachtssoße nicht ertragen, diese weichgespülten Kugelblitze, die dann vermischt mit Softkerzenschein und wissend lächenlnden Sängern ABA Heidschi Bumbbeidschi in die ebenso weichgespülten Wohnzimmer gespült werden, wie neuerdings, wenn irgendwelche geklauten Gelder in Staatskassen gespült werden. Ich brauche nur das Wort gespült zu hören und schon wird mir schlecht.

Können hätte ich vielleicht schon. Ich meine was anderes als Fernsehen. Hatte schon so „Überwindungsphantasien“. Ein schlechtes Gewissen hatte ich auch. Wie kann man sich so hängen lassen? Aber der Fernseher war echt das nächste. Der war mir näher als alles andere und erträglicher.

Ich hätte echt total viel gemusst. Nen Brief ans Finanzamt hab ich fertiggemacht. Immerhin. Aber ich habe noch nicht mal müssen wollen.

Ich hatte keinen Bock auf gar nichts. Hab mir auch gedacht, dass es mit der Ruhe und dem Frieden so seine Zeit dauert. Da klotzt man total bis ein paar Zentimeter vor Weihnachten, bleibt dann unvermittelt stehen wie ein Nashorn und dann ist plötzlich Ruhe und da soll man es sich dann in der Stille bequem machen?

Ich sah mich schon imaginär auf einem Sessel sitzen und abwartend und so da sitzend und mit der Stille. Wartend. Sitzend. Stille. Was soll denn das sein? Bei mir ist keine Stille. Da ist immer irgendwein Band, das dann abläuft. Ein Tonband ist immer am lautesten. Das wollte ich dann aber auch nicht die ganze Zeit hören.

Von Mitmenschlichkeit kann dann auch nicht die Rede sein. Auf meinem Tonband, da bin immer ich die Hauptperson. Da ist sonst keiner. Da passiert immer alles mir. Da denke immer ich. Da geht es immer um mich und darum, was mir alles so fehlt. Was mir halt so abgeht. An Weihnachten denke ich halt ganz besonders an so was. Nie ist Ruhe und immer bleibt etwas zu wünschen übrig.

Da denke ich auch nicht an die anderen. Da hätt’ ich mich ja voll ablenken müssen, um an die anderen zu denken. Ich hab’s echt probiert, das mit dem „an die anderen denken“. Schließlich soll man doch auch an die anderen denken. Angeblich ist das total gut für einen selbst, wenn man an die anderen denkt. Viel besser, als wenn man immerzu an sich selbst denkt.

Mir ha’m soviele was gewünscht und geschenkt an meinem Geburtstag, der einen Tag vor Weihnachten ist, dass die es jetzt echt verdient hätten, dass ich ihnen was wünsch’ und was schenk’ und dass ich nicht so egoistisch bin, immer nur an mich zu denken und an meine Probleme. Ich hätt’ mich vor allem bei allen bedanken müssen. Aber das war mir einfach zuviel nach dem ganzen Vorweihnachtsstreß.

Also hab ich hauptsächlich an Probleme gedancht. An Probleme. Na, so Probleme, wie sie sich in diesem Jahr so ergeben haben. Oder wie sie eben immer schon da waren. So, was man halt so meint, was nicht stimmt. Teilweise kam es mir so vor, als wär da nix Neues dabei gewesen bei den Problemen. Und teilweise hab ich mir gedacht, dass die sich wie von selbst durchdenken. Da war ich manchmal schon richtig sauer. Ich hätt’ da wirklich was besseres mit meiner Zeit anfangen können.

Ich hab’ mich total unfähig gefühlt, Kontakt aufzunehmen. Ich hatte überhaupt keine Lust. Hätt ja zu den Nachbarn rübergehen können, die zwei Häuser weiterwohnen. Hab ich nicht gemacht.

Was hätte ich da auch sollen? Die sind ja eine ganze Familie. Ich bin nur eine verlassene Frau, die ihren Typen verlassen hat, als es ihr zu bunt wurde. Der widerum packt es nicht, verlassen worden zu sein und will jetzt die ganze Sache rumdrehen, damit er Oberwasser behält.

Machtspiele eben. Soviel hab ich in den letzten paar Tagen kapiert: Das meiste was so abläuft, zwischen Menschen meine ich, das sind Machtspiele. Da geht es nicht um Liebe. Bestenfalls sitzt die dann irgendwo drunter. Gut versteckt. So ein geheimer Antrieb, der sich dann in Machtspielen entlädt. Bestenfalls.

Schade, dass man dann die Machtspiele nicht einfach weglassen kann und einfach zur Liebe übergeht. Bei meinem Alten kann ich das nicht feststellen und bei mir? Na, was weiß denn ich?

Ich hab’ halt überhaupt keinen Bock nachzugeben. Diesmal nicht. Man kann doch nicht alles mit sich machen lassen? Oder doch?

Über sowas hab ich dann Weihnachten nachdenken müssen. Hab’ ja keine Ahnung, was man so von sich selber und von anderen erwarten kann. Hab’ sowieso keine Ahnung. Hab’ auch überlegt, ob der bekloppte Alte nicht doch besser ist, als gar keiner. Kann ich überhaupt nicht sagen.

Jedenfalls hat er mir die Weihnachtstage ganz schön verdorben. Irgendwie hat er sich in meinem Kopf echt aufgeplustert und breit gemacht und mich in den Schwitzkasten genommen. Ich hab echt nicht mehr gewusst, wer denn nun eigentlich recht hat. Hab mir immer eingebildet, ich wüsste, was er will und denkt und in welchem Film er mitspielt. Sicher sein kann man sich da allerdings nie.

Woher auch? Ich hab doch nur meinen Kopf und da spielen sich alle Rollen ab, die Fragen und die Antworten. Mein Alter, der wirkt allerdings ziemlich echt und ich bilde mir ein, dass sei wirklich er und nicht etwa ich.

Hab ihn doch fast sechs Jahre lang mitbekommen. Da weiß man doch wie einer tickt. Oder etwa nicht? Weiß nicht. Zwischendurch hab ich echt Zweifel bekommen und hätte mir gewünscht, es wäre Ruhe in meinem Kopf.

Gar nichts war: Im Gegenteil, ich hatte sogar das Gefühl, ich hätte auf ihn gewartet. Einmal bin ich vor dem Fernseher eingepennt und bin dann hochgeschossen, weil ich geträumt habe, der hätte mir eine riesiege weißte Tüte mit blau rotem Schriftzug vor die Tüt gestellt, so wie er das in den letzten Monaten schon mal gemacht hat. Das war so echt, dass ich fast rausgegangen wäre und nachgesehen hätte. So ein Echttraum.

Ich hab’ dann erst heute morgen nachgesehen. Da war natürlich nix. Keine Tüte. Und ehrlich gesagt: Ich weiß nicht was mir lieber ist. Das der mir nochmal die Welt erklärt oder das da nix mehr kommt.

So viel steht fest: Ihm lässt es auch keine Ruhe. Der zockt, frisst und säuft weiter. Vielleicht vögelt er auch ab und zu rum. Aber er sieht nicht so aus, als hätte er an jedem Finger zehn Tussen. Klar, die lieben ihn doch alle. Aber wer liebt ihn, wenn es drauf ankommt? Das will er doch gar nicht.

Das ganze Gedenke könnte jetzt stundenlang so weitergehen. Wie schon die letzten Jahre. Irgendwie hat es mich geärgert. Was tut der Typ noch in meinem Kopf?

Das Thema ist doch immer das gleiche, egal ob es um ihn geht oder um einen anderen: Alle ham’ se Dreck am Stecken und immer hab ich’s abgekriegt. So ist es doch. Immer wieder bin ich die Blöde, die es ausbadet, die leidet, die irgend ne Scheiße abgekriegt hat, die sich dann in Endlosschleifen immer wieder wiederholt.

Da kann man gar nix machen. Ich kann mir ja schließlich nicht den Kopf abhacken. Ohren zuhalten bringts auch nicht. Das kommt alles von innen und bestenfalls quillt es raus. Weit aufsperren muss man die Ohren, weit auf... damit es rauskommt, wie ein Eiterpickel. Echt.

Irgendwann muss doch mal Schluss sein. Ruhe ist nie. Frieden auch nich. Ich hätt’ was für den Frieden tun soll’n. Nicht so egoistisch sein und ständig über irgendwelche Typen nachdenken, oder von mir aus: über deeeen Typen.

Ne, ich hätt mich um Leute kümmern sollen, denen es nich so gut geht, wie mir. Das wär doch mal was. Immer dieses Gejammere über die eigenen Probleme. Da soll man sich mal um andere kümmern.

Hätt’ ich nen Garten, dann wär ich wahrscheinlich in den Garten gegangen. Es war ja nicht so kalt. Da hätt man gut rausgehen können. Spazierengehen wollt ich nicht. Das kommt mir immer so sinnlos vor. Ein bisschen wie Zeittotschlagen.

Da geht man dann so und geht und geht und fragt sich, was das soll. Und guckt dabei so auf den Boden, sieht die Füße, die einen Schritt vor den anderen machen, oder sieht die anderen, die in Familie, wie schwerfällige Kähne, den Spazierweg abschreiten. Dann das Gerede, von der guten Luft und so und davon, dass es doch gut war, mal den Fernseher auszuschalten um ein paar Meter ins Freie zu gehen, um sich die Beine zu vertreten.

Das Geräusch im feuchten Boden rollender Kinderwägen macht mich total depressiv. Das hat sowas Trauriges. Das ist oft das, was von der Liebe übrig bliebt und nun Familie heißt und Zwänge heißt und heißt, dass man an Feiertagen ja mal gemeinsam raus muss, sich die Beine vertreten und das Kind braucht ja auch frische Luft und so.

Und dann gehen alle miteinander Gassi bevor es wieder was zu essen gibt.

Oder die jungen dynamischen Freundespärchen, die sich über die bevorstehende Hochzeit im Mai unterhalten... Sie mit Pelzmützchen und er mit Barbourjacke, von mir aus auch geschmackvolles, helles Wildleder mit Lammfellfütterung. Die sind auch nicht viel besser. Die muss ich auch nicht haben.

Und spazierengehen wo keiner ist? Was soll ich denn da? Da kommt man sich ja vor, wie ein Einzelgänger. Ne. Das muss ich auch nicht haben. Dann schon lieber die mit den Kinderwägen.

Am besten find ich ja, wenn es so richtig kracht. Da krieg ich dann große Ohren. Das ist dann wie fernsehen. Da will ich dann wissen, was so los ist. Sie giftet und er giftet und das Titi sitzt im Wagen und kann gar nichts dafür. Nix als Stress, aber wenigstens ist was los und die Luft wird gereinigt.

Ja, das mit L. hat ziemlich genervt. Hab total viel an ihn gedacht. Ich konnte gar nicht anders, als ohne Ende an ihn zu denken. Ich kann schon gar nicht mehr sagen, was ich überhaupt gedacht habe. Das Denken schlägt dann in so ein Gefühl von durchgängiger Ungerechtigkeit um und in so ein Gefühl, das was fehlt.

Was soll man machen? An Weihnachten denkt man halt an sowas. Hat ja auch ordentlich weh getan. Echt. Wie die Sau. So weh hat das getan. Und nicht nur einen Tag oder zwei. Das kommt immer wieder. Volle Kanne und bei jeder Gelegenheit. Das wünsch’ ich keinem.

Und dann kommen die Oberschlauen daher mit ihrem „abhaken“, „in die Zukunft schauen“, „nicht mehr dran denken“. Man könnte meinen, jeder, der sowas von sich gibt, der hat einfach überhaupt keine Ahnung. Keine Ahnung wie weh das tut und keine Ahnung, was man in einem solchen Zustand überhaupt noch fertigbringt.

Daran gemessen, dass mir die ganze Sache wieder hochgekommen ist, war Weihnachten total o.k.

Ich hab geweint, als ich meine Geburtstagsgeschenke endlich aufgemacht habe. Ich habe sie erst am zweiten Weihnachtsfeiertag aufgemacht. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich müsse zuvor mein Zimmer aufräumen, die Geschenke unter meinem großen Blumenstrauß aufstellen und dann erst eine Kerze anzünden, die Geschenke so, wie sie sind, bunt und verpackt und mit lustigen Formen...

Erst mal ansehen, so lange es noch Geschenke sind, bunt und schön und mit Schleifen und bevor ich sie dann auspacke und es dann keine Geschenke mehr sind, sondern irgendwas, was dann drin ist und es dann aus ist, mit der Verheißung und mit der Hoffnung und einfach nur Realität wird.

So wie Weihnachten: Wochenlang lebt man darauf hin, mit Hoffnungen und mit Streß, macht sich viel Arbeit und bewältigt viel Arbeit und dann ist es soweit und es wird wirklich. Dann kommt die Gans auf den Tisch und muss gegessen werden. Von wem auch immer. Dann ist es soweit.

Da warten alle auf den Erlöser und was ist es dann? Ein ganz normales Baby im Stall. Ich weiß nicht, was die Leute denken würden, wenn Obdachlose am Bahnhof auch noch Kinder in die Welt setzen würden. Na ja, würden sie denken, das Kind kann ja nix dafür!