Sonntag, 5. Mai 2013

Kunstfilme


Gestern im Luftschutzkeller des Hauses der Kunst: Filme. So much I want to say. 

Das Besondere an dieser Situation: man geht hinein und lässt sich auf die Filme ein. Man kann nichts und keinen bestimmten Film erwarten. Man weiß einfach nicht, was da hinter den Vorhängen gespielt wird. Oft ist man mit dem Endlosloop eines Filmes auch alleine. 

Ich habe Filme gesehen von Tracy Moffat, Mona Hatoum und Chantal Akerman.

Die Geschichte von Aboriginal Frauen in Australien, die weiße Männer ausnehmen und so das Prinzip der erfahrenen Ausbeutung umkehren. 

Ausschnitte aus Filmen, in denen Hausangestellte sich unverschämt gegenüber ihren „Herren“ bzw.  Damen verhalten und eine „kesse Lippe“ riskieren. 

Das Bild einer Frau, der ein Mann den Mund zuhält. So much I want to say. Das hätte sie alles sagen wollen, aber es bleibt ungesagt. 

Eine Meditation von Chantal Akerman in der sie eine Frau, Jeanne Dielman, bei alltäglichen Verrichtungen beobachtet, die aus der Banalität heraus- in eine rituelle Hauptattraktion gewandelt werden: 

Das Kneten und Zermalmen von Hackfleisch mit den Händen erscheint endlos, am Rande der Qual, langsam, ein unfreiwilliger Liebesakt wird zu etwas fast Freiwilligem, Häuslichkeit wird gezeigt als rituelles Gefangensein, als notwendige Sicherheit, sauber abgegrenzt von unvorstellbarer Freiheit. 

Der Weg in die Freiheit in anderen Filmen als Abfolge von Wartezeiten und immer gibt es Ziel und Zweck. Keine Freiheit. Gepackte Koffer. Kauern. Warten. Dicke Mäntel. Geduld. Endlose Geduld.

Schranktüren eine gigantische Verschlusssache. Der Küchentisch ein kühler Meditationsort auf funktionierenden, zweckmäßigen vier Beinen. Eine Kaffeetasse etwas, das einem Menschen Halt gibt, während sein Blick abwesend an die nächste Wand ausschwärmt und dort zurückgeworfen scheitert oder eben doch Geborgenheit in der Reflexion findet. Ausgeworfene, verlorene Blicke kehren zurück.

Dann noch der Film eines 1981 geborenen Künstlers, der die Welt faggy-gay machen will: kaleidoskopartig treten hier Münder und Augen, Formen aufgelöst von Farbfiltern, schrille Kostüme und Menschen ohne eindeutige Geschlechtszugehörigkeit an und aufgedrehtes Lachen. Ein Film der die Welt über Ambivalenz aufklären will. Bunt, grell, überdreht und Heimatlosigkeit mit überdrehten Posen wird als neuer Standard eingeführt. Heute bin ich so, morgen so, wer weiß das schon, Hauptsache ich bin unterhaltsam und kann mich jederzeit verwandeln, boy god, girl god. Er malt sich einen Bart über die Oberlippe und sie telefoniert kichernd mit dem Teufel.

Als ich aus den Kunstkabinetten im Keller wieder ans Freie trat wunderte ich mich über die Gegenwart gigantischer Bäume, durch deren frisches Maigrün der Wind strich und die Blätter rauschend und silbrig nach seinem Willen in Bewegung setzte. Wogende Kronen, grauer Himmel, strömendes Wasser und frisches Gras.